Sommertour 2010
Beim Blick auf die Uhr sieht man, wie der lange Dünne unaufhaltsam von Strich zu Strich hüpft, der Kleine ganz gemächlich die Sieben verlässt und der Große die Eins erreicht hat – mal wieder zu spät!!!
Vor exakt fünf Minuten wollten wir (Torsten, Lisa, Michael, Mirko) uns mit Fahrrad an der Niederwarthaer Brücke zu unserer zwölftägigen Paddel-Fahrrad-Bade-Spreewald-Freizeit treffen. Stattdessen wartet Torsten ungeduldig vor Wiests Haustür, während Micha und ich wie wild durchs Haus rennen und hektisch die letzten Sachen zusammensuchen... und mit uns rennt die Zeit. Inzwischen ist es 7:18 Uhr. Auf Anraten meines Vaters rufe ich Lisa an, um ihr Bescheid zu geben, dass es später wird: »Ja«, erklingt eine verschlafene Stimme aus dem Hörer. »Mirko?! Ohh ne, du hast mich grad geweckt.« Okay, wir können wieder einen Gang runterschalten. Lisa ist noch nicht einmal aufgestanden. Kurz nach acht sind wir dann doch alle am vereinbarten Treffpunkt eingetrudelt. Wir können starten. Gefühlte 40°C im Schatten (11. Juli) saugen unsere Trinkflaschen schneller leer als erwartet. Deshalb müssen wir, weil Sonntag ist, an einer Tankstelle einen Stop einlegen und Nachschub holen. Als sich unsere Wasservorräte fast wieder dem Ende neigen, werden wir von einem netten älteren Herrn, Streckenwart eines Lausitzer Fahrradfestes zum Start-/Ziel- und Versorgungspunkt gelotst, an welchem uns freundliche Rentner Kuchen, Eis und allerlei andere Dinge anbieten, doch wir haben nur eins – Durst. Mit einer Kelle wird uns aus einem großen Eimer eine weißliche Flüssigkeit in Becher geschöpft – wir stärken uns mit einem isotonischen Getränk. Unsere Flaschen werden erneut mit Wasser befüllt und wir bekommen eine gratis Routenplanung – es kann weiter gehen. Nach über zwölf Stunden mit kleinen Pausen, kurzen Irrfahrten und schnellem Schlauchwechsel, erreichen wir endlich unser Ziel: Sacrow im Norden des Spreewaldes. Mit einem Verbrauch zwischen fünf und acht Litern H2O pro Person auf quälend langen 150 Kilometern sind wir vor allem umweltfreundlich unterwegs gewesen. Es war ein unglaublich erleichterndes Gefühl, es geschafft zu haben. Marcel und Franz, die mit ihren bis unters Dach mit Gepäck vollgestopften Autos anreisten, belohnten uns mit frischem Salat, Nudeln und Tomatensoße – der Auftakt kulinarisch wunderschöner Abende, die wir uns selbst mit Kochen, Braten, Backen und Grillen bereiteten. Diesen »Luxus«, wie Franz es bezeichnete, ermöglichten uns die toll ausgestattete Küche auf dem Ferienhof in Sacrow und die Kisten voller Kochutensilien von Otfried, der uns leider zum ersten Mal auf unserer Sommertour nicht begleitete. Daher war auch kein Motorboot, wie in den vergangenen Jahren mit von der Partie. Aufs Bootfahren wollten wir aber auf keinen Fall verzichten und so hatten wir nach einigen Reparaturarbeiten und einer kleinen Testfahrt auf Unkersdorfer Gewässern drei Faltboote mitgenommen. Bevor sie jedoch in der Spree schwimmen konnten erkundeten wir in den ersten Tagen die Gegend mit unseren Fahrrädern und Autos, unternahmen zum Beispiel Ausflüge nach Burg, nach Boblitz in die Gurkenfabrik Rabe, in der wir die laufende Produktion beobachten konnten und eine lehrreiche Führung bekamen – keiner hätte vermutet, dass eine Frau bis zu einer Tonne Zwiebeln an einem Tag schälen kann! Ebenso besichtigten wir die Holländerwindmühle in Straupitz, die als letzte in Europa Korn mahlen, Leinöl pressen und Holzstämme sägen kann. Wir bestiegen außerdem einen der zwei Türme der Straupitzer Kirche, die nach dem bekannten preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel im klassizistischen Stil errichtet wurde. All das verknüpften wir mit mehr oder weniger erfrischenden Abstechern zu den zahlreichen Badeseen. Am Wochenende sollte es soweit sein. Wir hatten von Sacrow zum Köthener See gewechselt. Matze war auf Besuch gekommen und so waren wir mit Clemens, der bereits am Montag zu uns gestoßen war, insgesamt zu acht. Geplant hatte Lisa eine Zwei-Tages-Tour mit Übernachtung auf einem Wasserrastplatz. Doch ein heftiges Gewitter riss uns des Nachts aus unseren Träumen. Tosend pustete der Wind das Zeltdach bis auf unsere Bäuche und unter dem Zeltboden verspürten wir steigende Wassermassen, weshalb wir den Schutz hinter den festen Mauern der Jugendherberge dankend annahmen. Die anhaltenden großen Tropfen am nächsten Morgen ertränkten unser Vorhaben. Clemens und Matze nutzten den freien Tag, um nach einem Einkauf im Anglerladen auf Fischfang zu gehen, sodass wir die Beute dann in der heißen Pfanne zu knusprigen Leckerbissen verwandeln konnten. Der traumhafte Sonnenuntergang am Abend kündigte an, dass wir in den kommenden Tagen noch einige Paddelausflüge erleben würden. Der abenteuerlichste führte uns tief in die Wildnis des Spreewaldes am Rande von Burg. Schon dass wir unsere Boote mit Mühe aus und wieder ins Wasser hieven mussten, um unsere Fahrt fortsetzen zu können, hätte uns nachdenklich stimmen müssen. Einen alternativen Abzweig hatten wir aber nicht entdecken können. Zwar gibt es Wehre, an denen ein Umtragen erforderlich ist, doch dieses war definitiv nicht dafür vorgesehen, worin wir allerdings kein Hindernis sahen. Je weiter wir paddelten, desto dichter wurde die Vegetation im und über dem Wasser bis schließlich ein Geflecht aus Schlingpflanzen die ganze Breite des Kanals ausfüllte. Ein Vorankommen war nur unter großen Anstrengungen möglich. Der Bug unseres Bootes versuchte das grüne Wirrwarr nach unten zu drücken, während sich hinten die Pflanzen wie Tentakel um das Ruder schlangen, als wollten sie uns am Weiterfahren hindern. Wir drangen dennoch immer weiter voran mit der Hoffnung, dass das Licht am Ende des Tunnels bald kommen möge. Doch das ließ noch etwas auf sich warten. Von oben neigten sich die Äste der ufersäumenden Bäume bis auf die Wasseroberfläche herab und um uns herum schwirrten unzählige Insekten. Abwechselnd wehrten wir uns mit den Paddeln gegen das Gestrüpp unter und über uns und kämpften uns so eine Weile mit »Augen zu und durch« voran, dann wollten wir schon umdrehen, entschieden uns aber doch fürs Weiterfahren. Eine gefühlte Ewigkeit war vergangen bis die Strecke endlich wieder frei wurde. Nach noch zweimaligem Schleppen der Boote über die steilen Böschungen waren wir wieder auf dem richtigen Weg. Dank der Strömung glitten unsere Schiffchen nun wie von selbst dahin und wir konnten Arme, Beine und Seele baumeln lassen und die Sonne genießen. Anschließend kühlten wir uns noch in der Spree ab und der Tag war gerettet. Trotz dieser und vielleicht anderer kleiner Strapazen, die einfach zum Leben dazu gehören und ohne die es langweilig wäre, war es für alle eine sehr erholsame Zeit.